Die Früchte seiner Arbeit
Gepostet in Blog | Keine Kommentare„Vor dem brauchen Sie keine Angst zu haben. Der guckt nur so böse“, ätzte der frühere NRW-Ministerpräsident Johannes Rau im Jahr 1995 im Straßenwahlkampf in Wuppertal. Gemeint war Helmut Linssen, der von dem Großflächenplakat der CDU so ernst drein blickte und damit das Charisma eines Cliff Barnes verbreitete, des ewigen Verlierers in der damaligen TV-Kultserie „Dallas“. So sehr er sich auch anstrengte, Linssen war stets der Mann der zweiten Reihe, der Typ des Politikers, der im Rampenlicht eher mitleidige Blicke auf sich zog.
Bienenfleißig, mit dem Ehrgeiz des stets unterschätzten Machers, gelang es ihm über die Jahre allerdings doch, ein Netzwerk aufzubauen, dass zumindest seine persönlichen Ambitionen befriedigte. Den Höhepunkt seiner politischen Laufbahn errang Linssen 2005. CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ihn ernannte ihn zum Finanzminister, obwohl Linssen mit ihm kurze Zeit zuvor noch um den Landesvorsitz der NRW-CDU konkurriert hatte. Linssen unterlag, Rüttgers berief ihn dennoch, um die Partei zu befrieden – sozusagen als Belohnung für den alten Fahrensmann Linssen, der sich über Jahre für die NRW-CDU abgerackert hatte.
Als Abgeordneter vertrat er von 1980 bis 2010 seinen Klever Wahlkreis im nordrhein-westfälischen Landtag, er war Generalsekretär der NRW-CDU, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, Spitzenkandidat seiner Partei bei der Landtagswahl 1995, Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie, Vizepräsident des NRW-Landtags.
Es war allerdings die Zeit als Finanzminister im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW, die ihm Einfluss und Kontakte für weitere lukrative Aufgaben verschaffte. Der „ehrbare Kaufmann vom Niederrhein“, wie er sich gerne nennen ließ, war seit Dezember 2012 im Vorstand der RAG-Stiftung verantwortlich für die Finanzen. Er verwaltete ein Milliarden schweres Vermögen, das zur Abdeckung des Bergbau-Risikos vor allem im Ruhrgebiet angehäuft wurde. Diese Position machte den CDU-Politiker nun unabhängig von der Tagespolitik und gab ihm genügend Raum, die Früchte seiner Arbeit einzufahren.
Auch zuvor schon war Linssen geschäftstüchtig:
Ein Beispiel ist seine frühere Verbindung mit Josef Boquoi, dem Gründer des Straelener Tiefkühl-Konzerns Bofrost und dessen der „Unterstützung der eigenen Familie“ dienenden Bofrost-Stiftung.
Diese Boquoi´sche Familienstiftung durfte mit dem Segen des damaligen Finanzministers Helmut Linssen im Jahr 2009 rund 2.500 Hektar des Eifelwaldes zum Preis von 94 Cent je Quadratmeter kaufen. Eine so große Waldfläche entsprach in etwa zwei Prozent der Fläche des gesamten Staatswaldes in Nordrhein-Westfalen. Die Grünen im NRW-Landtag sahen Interessenkonflikte. Linssen stamme, so Johannes Remmel, aus dem Wahlkreis, in dem auch Bofrost-Stifter Boquoi wohne. Zudem sei bei der Ausschreibung der Flächen ein weiterer Bieter nicht berücksichtigt worden. Obwohl der spätere NRW-Umweltminister Johannes Remmel im Düsseldorfer Landtag darauf hinwies, dass die dem Wohl der Familie Boquois verpflichtete Stiftung auf lediglich 20 Jahre bis zum Jahr 2023 „begrenzt“ sei, wurde der Verkauf durch die damalige Landtagsmehrheit aus CDU und FDP umgesetzt.
Die Boquoi-Stiftung ist nach Erkenntnis der Zeitschrift „manager magazin“ mittlerweile Eigentümerin von rund 5700 Hektar Ländereien in den alten Bundesländern. Clanchef Josef Boquoi nimmt nach der gleichen Quelle mit einem für 2014 geschätzten Vermögen von 1,2 Milliarden Euro einen der Spitzenplätze unter den reichsten Deutschen ein.
Im Dezember 2014 wurde Dr. Helmut Linssen in den Stiftungsbeirat der Bofrost-Stiftung aufgenommen. Kritische Nachfragen in Erinnerung an den umstrittenen Deal aus dem Jahr 2009 kann Linssen gut verschmerzen, zumal die Tätigkeit Linssens im Boquoi-Stiftungsbeirat nach Presseberichten mit 30.000 Euro jährlich vergütet werden soll.
Mehr als nur anrüchig war die Sachlage in einem zweiten Fall, in den der ausgewiesene Finanzfachmann Linssen einige Jahre zuvor verstrickt war. Der löste zu Anfang des Jahres 2014 ein heftiges Medienecho aus, als bekannt wurde, dass der Finanzfachmann jahrelang große Geldsummen an der Steuer vorbei versteckt hatte. Begonnen hatte es damit, dass er damalige Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion im August 1997 mit seiner Frau nach Luxemburg gefahren war, um bei einer Tochter des Düsseldorfer Geldhauses HSBC Trinkaus & Burkhardt 829 322 Mark als „Selbstabholer“ zu deponieren. Von dort aus war es in anonyme Trusts geflossen, erst auf den Bahamas, dann weiter nach Panama. Es habe sich um Geld seiner 2004 verstorbenen Mutter gehandelt, so ließ er sich später ein, und er sei darum bemüht gewesen, dieses Geld „so anzulegen, dass mehr Kosten als Erträge anfallen und also keine Steuerpflicht entsteht“. Ein Strafverfahren gegen Linssen war 2012 eingestellt worden: Wegen der Verjährungsfrist habe Linssen, so berichteten die Medien, nur seine Zinserträge für die Jahre 2001 bis 2005 nachweisen müssen. In dieser Zeit jedenfalls habe er mit dem Geld keinen Gewinn gemacht. Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach stand seinem Parteifreund Linssen mit den Worten zur Seite: „Das Steuerstrafverfahren ist eingestellt worden, weil an den Vorwürfen nichts dran war. Dann sollte man auch so fair sein und in der Öffentlichkeit nicht den Verdacht erwecken, es sei doch Steuerhinterziehung im Spiel.“ Dennoch: Am 6. Februar 2014, nur drei Tage nach Bekanntwerden der Enthüllungen über seine Geldanlagen in Steueroasen fernab des Zugriffs deutscher Finanzämter, erklärte Linssen seinen Rückzug vom Amt des Bundesschatzmeisters.
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